Souverän in (Online-)Gruppen

Die gute Nachricht: Wer den Wunsch hat, souverän in (Online-)Gruppen aufzutreten, kann dies erlernen und verbessern, manchmal mit simplen Techniken. Das erscheint mir wichtig und erfreulich, denn vielen Menschen bereitet es Mühe, sich zu präsentieren, Ideen oder Anliegen zu äußern und die eigenen Interessen wirksam zu vertreten.

„Wie peinlich!“

Kennen Sie dieses Gefühl? Es tritt oft gemeinsam mit einer groben Fehleinschätzung auf: Die anderen sind schlauer, schöner, schneller und denken dauernd schlecht über mich. Das stimmt natürlich so nicht, doch wer genügend selbstkritisch oder anfällig für solche Botschaften ist, hat es schwer. Und wird zum leichten Opfer von Werbebotschaften, die genau hier ansetzen. Man sehe sich zum Beispiel die Bilder an, mit denen Zoom, Teams, Webex etc. ihre Meeting-Software bewerben: lauter schöne diverse glückliche Menschen.

Korrigieren, bitte!

Einmal kurz umschauen reicht: Die Menschen um mich rum sehen alle ganz normal aus. Models und Adonis sind eher selten, sie werden lediglich oft abgebildet.

Was uns sonst noch nervös macht

souverän in GruppenWas erwarten die von mir?

Wenn ich dies vorab nicht weiß, kann ich unruhig werden. Eruieren hilft, vielleicht auch Kontaktaufnahme vorab mit den Veranstaltern.

Passt mein Outfit?

Die simpelste Empfehlung dürfte lauten: Ich kleide mich für Online-Events genau so wie für Präsenzveranstaltungen. Wie chic, hängt von der Zielsetzung des Treffens ab. Manchmal ist es auch möglich, vorher zu fragen: Dress-Code?

Na klar: Für ein Bewerbungsgespräch ziehe ich mich anders an als für ein privates Treffen. In anderen Meetings ist Entspanntheit angesagt. Ich wundere mich mitunter, wie leger auch hohe Führungskräfte im Home Office vor ihrer Kamera sitzen.

Vielleicht zum Start lieber einen Tick seriöser und reservierter. Lockermachen geht schneller und leichter als aufhübschen. Ärmel hochkrempeln, Krawatte ablegen, fix erledigt.

 

ich sitze souveränApropos sitzen: Für dumm halte ich die Idee, nur die Oberbekleidung zu beachten. Vielleicht stehen Sie auch mal auf? Das wäre auch mir peinlich: „Wenigstens hast du eine Unterhose an!“

Unerwünschte Folgen

Selbstzweifel sind gut für die persönliche Weiterentwicklung – im Übermaß bremsen sie Dich aus.

Verzogene Wahrnehmungen führen dazu, dass sich Menschen zurückhalten. Dass sie keiner Gruppe beitreten, wenn sie nicht unbedingt müssen. Jedes Mikrofon, jede Kamera meiden und ihre kreativen Ansätze, wichtigen Hinweise und Wortmeldungen eben nicht aussprechen. Sie fehlen.

Das ist so schade! Für alle Beteiligten und Betroffenen.

Souveräner und selbstsicherer werden im eigenen Lern-Tempo

Meiner Meinung nach sollten Sie genau dann etwas Neues versuchen, wenn Sie auch ein Misslingen verkraften (und nicht dann, wenn es jemand von Ihnen fordert). Sie können in einer Umgebung üben, wo Holpern nicht zum Problem wird. Also vielleicht nicht in einer mündlichen Prüfung, sondern im aufmerksam-freundlichen Umfeld, zum Beispiel im Refisch Online Workshop.

Souverän in (Online-)Gruppen – Tools und Tipps zu mehr Selbstsicherheit

Was woanders geholfen hat

  • Für den Fall, dass ich reden sollte, aber nicht wusste, über was und wie: „Sprechdenken üben mit dem Modell FAZZ: Früher-Aktuell-Zukunft-Ziele“. Ich beginne mit dem Wort „früher“ und erzähle eine Begebenheit, komme dann zum Aktuellen, rede über die Zukunft und hatte während des Sprechens genügend viel Zeit, mir zu überlegen, wie ich meine Ziele am Schluss der kleinen Ansprache formuliere.
  • Ankern: Ich suche mir in der Gruppe eine Person, die ich schon kenne und mag. Vielleicht hab ich sie vorab auch gebrieft, damit sie weiß, wie sie in meinem Sinne agieren oder was sie sagen könnte.
  • Warmlaufen: Bevor das Meeting (oder mein Vortrag) beginnt, spreche ich etwas Allgemeines an: „Können mich alle gut hören?“ Bild- und Sound-Check vor Beginn werden von Veranstaltern gerne bestätigt. Dann haben alle meine Stimme bereits gehört und ich zögere nicht mehr meinen ersten Wortbeitrag so lange hnaus, bis jemand anderes genau diese meine Idee ausspricht und fortan für sich reklamiert.
  • Antworten einüben: Was mach ich, wenn…? Parolen kann ich parieren, auf dumme Sprüche reagieren. Auch Schlagfertigkeit ohne Schlagen ist trainierbar.
  • Im Laufe des Tages kann ich Lob aussprechen. Für die Moderation, für gute Beiträge aus der Gruppe… wer das nicht nur mit Emoticons tut, sondern explizit ausspricht, wird gehört.
  • Auch gut: Die Moderatorin, den Moderator etwas fragen: „Welche Themen bieten sie sonst noch an?“ Oder kecker: „Tun Sie selbst all das, was Sie uns hier empfehlen?“
  • Feedback macht stabiler und mutiger. Wer oft Rückmeldungen einholt, wird selbstsicherer und souveräner.
    Feedback macht souverän in GruppenAnfangs tut jede kritische Aussage ein wenig weh. Doch wenn dann nach und nach einige Verbesserungen umgesetzt sind, gibt es mehr und mehr Lob.
    Dabei muss ich keineswegs alles befolgen: Ein Feedback besteht aus Ideen, die auch abgelehnt werden können.
    In jedem Feedback gibt es positive Meldungen. Wenn nicht: gezielt erfragen!

Gelungene Online-Auftritte

Online mit Kamera muss nicht stressen

Es kann anstrengend sein, sich selbst ständig zu sehen. Deshalb bieten Meeting Apps die Möglichkeit, das eigene Bild auszublenden. Meine Erfahrung: Anfangs ungewohnt und verunsichernd-ablenkend, habe ich mich doch schnell daran gewöhnt, auch in mein eigenes Antlitz schauen. So sehe ich halt aus. Manch eine sinnvolle Korrektur ist dann schnell erledigt: Häng ich wieder am Rand des Bildausschnitts herum? Blendet Gegenlicht? Ist das Toupet verrutscht?

Souverän mit Technik umgehenTechnik

Es muss nicht die 4k-Cam sein und auch kein Hochleistungs-Mikro. Was aber unabdingbar ist: Ausprobieren. Ich selbst habe zeitweise mit bis zu 5 eingeloggten Maschinen und mit etlichen Lampen experimentiert. Doch als ich einen Teilnehmer, der super bei mir aussah, fragte: „Wie machst du das?“, erfuhr ich: Die verwendete Technik war Standard. Eingebaute Cam des Notebooks, eingebautes Mikro, normales Licht. Ja, dachte ich mir dann, Recht hat er. Wir sind nicht im Filmstudio!

Verschiedene Kamera-Einstellungen bringen Abwechslung

Mal im Sitzen, mal am Stehtisch – unser Körper will Bewegung, die schützt vor Rückenleiden. Den Gästen könnte das auch gefallen.

Hintergrund

Eine Expertin empfahl: „Such dir einen Hintergrund aus, mit dem du dich wohlfühlst.“ Auch eigene Fotos sind als virtueller Hintergrund machbar. Sollte darauf etwas Interessantes zu sehen sein, dann kann wohl passieren, dass dies kommentiert wird. Sei es als Spaß (dann antworte ich aus dem Tool-Set „Schlagfertigkeit„), als freundlicher Small Talk (relax!) oder jemand möchte seine eigene Aufmerksamkeit beweisen. Mit all dem können wir ja gut umgehen.

Ein Moderator präferiert ablenkungsfreie Hintergründe. Luisa Neubauer sah ich vor einer – bis aufs Logo – leeren Wand. Starke Wirkung.

Essen und Trinken vor der Cam

Als mal jemand direkt vor der Kamera ins Brötchen biss, mit weit geöffnetem Mund, konnten wir alle Plomben sehen. Das war nicht schön. Seither lautet die Ansage: Essen und Trinken im Online kann völlig okay sein – dann aber bitte so wie bei einem Geschäftsessen.

Vorsicht Falle, gut dosieren!

Wir wollen wahrgenommen und gemocht werden. Das ist ein Grundbedürfnis. Doch wenn jemand sehr viel Aufmerksamkeit und Applaus braucht, kann das ordentlich nerven.

Zwar freuen sich Moderator*innen über aktive Teilnahme, doch nicht über Dauerbeschallung und 100 Fragen aus nur einer Ecke. Also besser auch mal die anderen reden lassen und zustimmend nicken.

Meine Zielsetzung heißt „Vertrauen schaffen…“

In meinen Workshops ist mir wichtig, dass persönlich und authentisch miteinander gesprochen wird. Am besten gelingt das, wenn alle mitreden und wenn alle zuhören. Denn ohne das kontroverse und bunte Gespräch, ohne Miteinander auch bei Meinungsverschiedenheiten entsteht überhaupt nichts Gutes.

Für Onlines gilt: Vertrauen entsteht nie vor schwarzen Kacheln, vor unsichtbaren Beobachtern, vor Einweg-Scheiben oder hinter verspiegelten Sonnenbrillen. All das fördert eher „versteckte-Kamera“-Effekte. Lustig allenfalls im TV. Deshalb kündige ich vorher die Regeln an, zu sehen hier.

Mir persönlich ist es völlig egal, ob und wie jemand geschminkt und gekleidet ist, Dress-Code in meinen Onlines oder Präsenzrunden gibt es nicht. Ich möchte die Menschen sehen und erleben. Ich versuche, Vertrauen zu fördern und freue mich über gute offene persönliche Zusammenarbeit.

Jedoch weiß ich sehr wohl, dass es auch hier keine Sicherheiten gibt. Deshalb erbitte ich „Mitmachen“, empfehle aber auch:

„… und doch wach bleiben!“

Hate Speech, üble Nachrede und unfaire Kritik sind hässliche Probleme. Leider gibt es sie. Wer aktiv ist, kann auch zur Zielscheibe werden.
In meinen Veranstaltungen brauche ich keine Klarnamen oder Kontaktdaten, finde ich die Verwendung von Vornamen oder Nicknames völlig okay.

„Souverän in (Online-)Gruppen“ – die persönliche Geschichte des Hermann Refisch

Ich weiß, von was ich hier schreibe. Ich litt früher unter vielen fiesen Hemmungen und kannte alle Tricks, einen Schein zu bekommen, ohne ein Referat halten zu müssen. Kontaktaufnahme war kaum besser: Wie kann ich jemanden ansprechen – und was tu ich, wenn mir im zweiten Satz dann nix mehr einfällt? Und dann noch diese Selbstzweifel und Mürbe-Technik „das hätte ich doch viel besser gekonnt!“ hinterher…

Was daraus wurde, ist leicht zu sehen: Seit über 20 Jahren trete ich gerne vor Gruppen, die Arbeit mit Menschen in Gruppen ernährt mich und macht mir noch immer Freude.